Kommentar zur Woche Wirtschaft und Klimaschutz: Chancen, die nicht wiederkommen
Angesichts des Weltwirtschaftforum in Davos und dem bisherigen Beitrag der Wirtschaft zur Lösung des Problems habe ich folgendne Kommentar für den DLF geschrieben.
Die Wirtschaft hat ihre Chance vertan. Die meisten Unternehmen betreiben ihre Geschäfte nicht freiwillig so, dass die Lebensgrundlagen der Menschheit erhalten bleiben. Zeit genug hatten sie. Bereits 1999 machte UN-Generalsekretär Kofi Annan beim Weltwirtschaftsforum in Davos den Unternehmenslenkern ein Angebot für den sogenannten „Global Compact“. Wer unterschrieb, sollte fortan unter anderem im Umgang mit Umweltproblemen das Verursacherprinzip beachten oder umweltfreundliche Technologien entwickeln. Rund 10.000 Unternehmen machen heute mit. Groß war damals die gesellschaftliche Erwartung, dass dies Fortschritte bringen würde. Es folgten viele weitere freiwillige Initiativen der Unternehmen, doch die Trendwende zum notwendigen Klima- und Umweltschutz brachten sie nicht, im Gegenteil. Zwar wuchs die Wirtschaft ebenso wie die Gewinne der Konzerne, aber fast alle zentralen Indikatoren für das Leben auf der Erde verschlechterten sich.
Der CO2-Ausstoß stieg und infolgedessen die Erwärmung der Erde, das Artensterben ging rasant weiter, genauso wie die Verödung der Böden oder das Abholzen und Abbrennen des Regenwaldes. Wie sehr freiwilligen Verpflichtungen von Konzernen zu misstrauen ist, zeigt das Beispiel der Autoindustrie. Sie gelobte gegenüber der EU-Kommission einst emissionsärmere Motoren zu entwickeln undverhinderte so eine Regulierung. Heute wissen wir, dass viele Unternehmen nicht einmal ernsthaft versucht haben, ihr Versprechen umzusetzen. Wirklich wundern sollte sich niemand darüber, denn im Kapitalismus ist es der Zweck von Unternehmen die Gewinne der Aktionäre zu mehren und nicht auf das Allgemeinwohl zu achten. Das ist auch überhaupt nicht verwerflich. Allerdings sollte sich niemand, weder die Allgemeinheit und schon gar nicht die Politik der Illusion hingeben, Unternehmen würden in großen Stil freiwillig das Klima schützen. Die Dinge werden sich nur dann zum Besseren wenden, wenn der Gesetzgeber klare Regeln vorgibt, an die sich Unternehmen halten müssen, weil sie sonst sanktioniert werden. Das zeigt das Beispiel des Verbots der Fluorchlorkohlenwasserstoffe durch ein internationales Abkommen. Heute schließt sich das Ozonloch, noch in den 1980er Jahren hatte es weltweit für Angst vor Hautkrebs gesorgt. Natürlich gibt es einzelne Unternehmen, die beim Klimaschutz vorangeben. Aber das sind gewöhnlich nur jene, deren Geschäftsmodell darauf fußt. Ihre Zahl ist gering, weil es nur in begrenzter Zahl Konsumenten gibt, die bereit oder in der Lage sind etwa für klimaneutral produzierte Produkte oder Dienstleistungen Aufschläge zu zahlen.
Gleiche Spielregeln für alle Unternehmen wären fair. Idealerweise müssten sie international beschlossen werden. Aber dies ist derzeit eine Illusion, was ein Blick auf die USA unter Donald Trump zeigt. Deshalb sollte Europa vorangehen. Für die EU bietet sich sogar eine große ökonomische Chance, wenn es zum Vorreiter einer Wirtschaft wird, die mit dem Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen in Einklang steht. Viel spricht dafür, dass andere Regionen später dem Beispiel folgen werden. Wenn Europa voranschreitet, muss es aber auch Tabus brechen und etwa einen Schutz europäischer Unternehmen durch Klimazölle erwägen. Denn es wäre kontraproduktiv, wenn die Politik in Europa Unternehmen zu einem umweltverträglichen Verhalten zwingt, gleichzeitig aber Produzenten aus anderen Regionen der Welt Waren in den gemeinsamen europäischen Markt exportieren, bei deren Herstellung keine oder sehr viel niedrigere Umweltstandards gelten. Sogar Protektionismus wäre in diesem Fall geboten und das sollte niemand aus ideologischen Gründen reflexartig ablehnen. Ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte zeigt, dass alle Industrieländer am Anfang ihres Aufblühens ihre Produzenten geschützt haben, England im 19. Jahrhundert genauso wie Jahrzehnte später Deutschland oder noch später China im 20. Jahrhundert.
Der Aufbau einer Wirtschaft in Europa, die unsere Lebengrundlage erhält würde ihren Schutz und damit Zölle rechtfertigen