Wirtschaftskrise Ein Rahmen für die Wirtschaft
Berlin, 04.01.2012
Die vergangenen vier Jahre haben den Zweifel genährt, ob unser Wirtschaftssystem das richtige ist. Aus der Finanz- wurde eine Wirtschaftskrise, die wenig später von einer Währungskrise abgelöst wurde. Bei vielen Beobachtern - Experten wie Bürgern - hat sich der Eindruck verfestigt: Es muss sich grundsätzlich etwas ändern. Aber in welche Richtung könnte es gehen? In einer Serie von WDR-Politikum fordere ich eine striktere Ordnung.
"In einer rein ordoliberalen Welt würde etwa der deutsche Staat sagen, wir retten die deutschen Banken nicht, wenn die sich mit hohen Krediten in Griechenland engagiert haben und diese Kredite jetzt ausfallen, weil die griechischen Schuldner nicht in der Lage sind, die Kredite zurück zu bezahlen, ist das ein Problem der Banken", so der Leiter der Stiftung Ordnungspolitik Lüder Gerken "die sollen sehen, wie sie klar kommen."
Haftung gehört zu den Prinzipien einer ordoliberalen Welt genau wie Privateigentum und der freie Markt. Deswegen ist das Gedankengut der Ordoliberalen in der jetzigen Wirtschaftskrise besonders aktuell. Commerzbank, Hypo-Real-Estate oder IKB wären längst pleite. "Too big to fail“, zu groß zum Sterben – das gäbe es in einem Staat mit ordoliberaler Wirtschaftsordnung nicht. Die Regierung hätte keine Bank mit Steuergeldern gerettet. Entsprechend geringer wäre die Staatsverschuldung. Generell müssten die Politiker den Unternehmen und Banken in einer ordoliberalen Wirtschaftsordnung Grenzen für ihr Handeln setzen, sich aber sonst aus dem Marktgeschehen heraushalten.
Dazu Lüder Gerken: "Kennzeichnend für den Ordoliberalismus ist, dass auf der einen Seite ein starker Staat benötigt wird, um eine Wirtschaftsordnung zu schaffen, also gerade kein Laissez-faire, wo jeder tun und lassen kann, was er will, auf der anderen Seite aber der Staat sich beschränken sollte auf die Schaffung einer solchen Rahmenordnung und nicht in den Wirtschaftsprozess eingreifen sollte."
Rettungen von Banken und des Bergbaus im Ruhrgebiet wären passé
Bedeutende Vertreter des Ordoliberalismus sind der Ökonom Walter Eucken und der Jurist Franz Böhm. Sie beeinflussten mit ihren Ideen maßgeblich die Gestaltung der Sozialen Marktwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland. So inspirierten die beiden Forscher Ludwig Erhard, den ersten Wirtschaftsminister der Bundesrepublik, als er das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen schuf. Nie mehr sollte die politische Freiheit der Bürger bedroht sein, weil sich in der Wirtschaft Macht konzentriert. Kommt es zu einem Monopol oder der Absprache von Preisen durch Unternehmen in Kartellen, dann soll der Staat beherzt eingreifen und diese zerschlagen. Das passiert regelmäßig in Deutschland.
In einem vollständig ordoliberalen Wirtschaftssystem wären allerdings auch die Beschäftigten und viele Unternehmer mit weniger staatlicher Unterstützung und deswegen mehr Umbrüchen konfrontiert. Der Erhalt von Firmen und deren Jobs durch Subventionen, Steuererleichterungen oder Garantien wie derzeit bei vielen Banken und immer noch im Bergbau des Ruhrgebiets wäre passé. Andererseits müsste der Staat in einem ordoliberalen System die Beschäftigten vor Ausbeutung durch Arbeitgeber schützen. Gewinne einstreichen würden in einer ordoliberalen Welt nur Unternehmen, die gefragte Produkte kreieren und sich im Wettbewerb gegen die Konkurrenz behaupten. "Viele deutsche Unternehmen sind dafür im globalen Wettbewerb zu zögerlich", meint Werner Heer, Vorstandschef von dem Bielefelder Industrienähmaschinenhersteller Dürkopp Adler, der seit einigen Jahren zu einem chinesischen Konzern gehört. Er sehe Bedenken an allen Ecken und Kanten. "Bevor wir wirklich etwas in die Hand nehmen, muss es ziemlich gesichert sein, dass daraus auch ein Erfolg wird und das heißt, das wir viele Dinge einfach gar nicht mehr anpacken, weil der Erfolg nicht erkennbar oder fassbar ist."
In einer ordoliberalen Wirtschaft würden ideenreiche Unternehmer belohnt und nicht zockende Banker. Ein echter Wettbewerb benötigt aus ordoliberaler Sicht heute jedoch weltweite Rahmenbedingungen. Nationale oder zwischenstaatlich vereinbarte Vorschriften können sogar kontraproduktiv wirken. Als Beispiel nennt Lüder Gerken den für Unternehmen in der EU vorgeschrieben Kauf von Zertifikaten für den Ausstoß von CO2: „Denn wenn man es etwa nur in Europa anwendet, haben wir das große Problem, dass die Unternehmen etwa im Stahlbereich oder in der chemischen Industrie sagen, wenn ich hier teure Emissionsrechte kaufen muss, um meine Produktion aufrecht zu erhalten, dann investiere ich lieber in China, wo ich diese Emissionsrechte nicht kaufen muss. Das heißt, die Produktion wandert ab, aus Europa nach Asien oder nach Südamerika und die CO2-Emission erfolgt dort."
Das heißt für den Klimaschutz ist wenig gewonnen, für die Beschäftigung in Europa ist sehr viel verloren. Von solchen Schwierigkeiten sollten sich die europäischen Politiker nicht abschrecken lassen. Sie sollten weiter vorangehen und der Wirtschaft ganz im Sinne der Ordoliberalen einen straffen Rahmen verpassen. Es ist höchste Zeit.