Kommentar Warum Steinbrück doch kein Finanzheld ist

Köln, 13.12.2012

Zum Glück gibt es Politiker wie Peer Steinbrück. Mit seiner polarisierenden, bisweilen polternden, aber meist von Sachkenntnis geprägten Art belebt er die politische Arena, in der es heute von glatten Parteikarrieristen wimmelt, die nach vielen Seiten offen sind und wenig Angriffsfläche bieten. Tatsächlich kennt sich Steinbrück gut mit ökonomischen Zusammenhängen aus und vor allem: Er kann sie auf den Punkt bringen. Das ist eine wichtige Fähigkeit, gerade jetzt. Trotzdem: Ein Superökonom ist Steinbrück nicht. Lesen Sie den ganzen Kommentar bei der WDR-Sendung Politikum.

Zum Glück gibt es Politiker wie Peer Steinbrück. Mit seiner polarisierenden, bisweilen polternden, aber meist von Sachkenntnis geprägten Art belebt er die politische Arena, in der es heute von glatten Parteikarrieristen wimmelt, die nach vielen Seiten offen sind und wenig Angriffsfläche bieten. Tatsächlich kennt sich Steinbrück gut mit ökonomischen Zusammenhängen aus und vor allem: Er kann sie auf den Punkt bringen. Das ist eine wichtige Fähigkeit, gerade jetzt.



Trotzdem: Steinbrück ist beileibe kein Superökonom. Das sieht jeder, der einmal genau hinschaut. Von der Inszenierung Steinbrücks als Weltökonom der Sozialdemokraten, ganz in den Fußstapfen von Helmut Schmidt, sollte sich niemand täuschen lassen. Dieses Bild befördert Steinbrück sicher selbst gerne, aus Gründen der Strategie und Eitelkeit. Aber an der Stilisierung haben auch die Medien ihren gehörigen Anteil.



Steinbrück hat als Finanzminister der großen Koalition unter Angela Merkel  keinesfalls immer eine gute Figur gemacht. Schon mit seiner Einschätzung der Pleite der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers lag er daneben. Wenige Tage nach der Pleite hatte Steinbrück noch im Brustton der Überzeugung gesagt: Das sei ein amerikanisches Problem. Das war falsch. Ebenso zweifelhaft war der Widerstand von Steinbrück gegen eine gemeinsame europäische Bankenaufsicht. Die forderte der italienische Finanzminister Tommaso Padoa-Schioppa richtigerweise bereits im Jahr 2007. Steinbrück hielt damals wortgewandt dagegen und bezeichnete eine integrierte Bankenaufsicht in Europa als Teufelszeug. Dabei war schon vor sechs Jahren vielen Experten klar: Nationale Bankenaufsichten sind ein Teil des Problems. Aus Standortinteressen schauen nationale Aufseher besonders bei den großen Häusern oft nicht so genau hin. Falsch war sicherlich auch das zögerliche Eingreifen Steinbrücks bei dem größten deutschen Pleitekandidaten unter den Banken, der Hypo-Real-Estate. Und der Kanzlerkandidat muss sich auch einen Fehler ankreiden lassen, der unter seiner Ägide im Finanzministerium geschehen ist. Damals wurden die Steuergesetze für Banken so geändert, dass diese jahrelang Profite zulasten des Fiskus machen konnten. Der Vorschlag für die Gesetzesänderung kam pikanter Weise vom Bankenverband selbst.



Es gehört zur ehrlichen Einschätzung der bisherigen politischen Bilanz Steinbrücks, solche Dinge klar als Fehler zu benennen. Eine ehrliche Bilanz darf es dabei aber nicht bewenden lassen. Rückblickend erkennt man die Dinge meist klarer. Gerade in der Finanzkrise mussten Politiker jedoch häufig schnell entscheiden. Und hier hat Steinbrück viel richtig gemacht. Das war nicht leicht. Denn viele Ökonomen wussten selbst nicht immer, was sie eigentlich empfehlen sollten. Schließlich hatte die Finanzkrise viele geltende Dogmas entzaubert, wie das von den effizienten Finanzmärkten. Alle müssen dazu lernen.  Und wenn darüber ehrlich gesprochen wird, dann ist das auch ein Beitrag gegen die Politikverdrossenheit der Bürger.