Eurokrise Südeuropa braucht einen Marshall-Plan

Köln, 08.12.2011

Der EU-Gipfel soll die Fiskalunion mit harten Daumenschrauben für die Schuldenstaaten am Mittelmeer beschließen. Aber eine eiserne Sparpolitik wird die Euro-Krise nicht beheben. Reiche EU-Länder wie Deutschland müssen ihre Handelsbilanzüberschüsse in die Wirtschaft der armen EU-Länder investieren, um das  Nord-Süd-Gefälle nachhaltig auszugleichen. Ein Kommentar hören Sie beim WDR in der Sendung Politikum.

Standart & Poor’s hat den Finger in die richtige Wunde gelegt. Die einseitige Sparfixierung der Europäer wird die Krise nicht bewältigen. Die EU braucht in der Tat mehr als Schuldenbremsen. Europa braucht eine wirtschaftliche Strategie, um die Leistungsbilanzungleichgewichte zu verringern. Gerade Deutschland erwirtschaftet einen großen Überschuss, auf der anderen Seite stehen die  Defizite vor allem der Südeuropäer. In der Vergangenheit haben die Deutschen mit diesem beim Export erlösten Geld unter anderem via Bankkredit den Konsum in Griechenland oder die Immobilienblase in Spanien mitfinanziert. Dadurch hat man die jetzige Krise ein Stück weit mitverursacht. Jetzt sind Investitionen in zukunftsträchtige Wirtschaftsfelder wie regenerative Energien notwendig.

Statt dessen sind bei Europas Politikern zur Lösung der Euro-Krise Schwäbische Tugenden besonders gefragt.  Gerade Bundeskanzlerin Angela Merkel verlangt, dass besonders geplagte Schuldenstaaten wie Griechenland, Portugal, Spanien  und Italien ihre Haushaltslöcher schnell durch rigide Sparmaßnahmen stopfen. Und die Regierungschefs beeilen sich, der Ire Enda Kenny genauso wie der Grieche Lucas Papademos oder der Italiener Mario Monti. 
 
Höhere Steuern oder Rentenkürzungen treffen vor allem ärmere Menschen. Vielleicht könnte man diese soziale Schieflage bei der Lastenverteilung sogar akzeptieren, wenn dies zu einer schnellen Gesundung der kränkelnden Volkswirtschaften in Südeuropa führen würde. Doch das ist mitnichten der Fall. Was für eine schwäbische Hausfrau das richtige Rezept sein kann, um die Haushaltskasse zu sanieren, ist es noch lange nicht für einen Staat. 
 
Sicher haben einige Regierungen in Europa ihre Aufgaben in den vergangenen Jahren in einem unverantwortlichen Ausmaß auf Pump finanziert. Deswegen wäre es begrüßenswert, wenn sie Ausgaben und Einnahmen einander anpassen und sich auf einen verbindlichen Fahrplan für einen langfristigen Abbau der Staatsschulen einlassen würden. Ein Spardiktat, wie wir es derzeit jedoch in einigen Ländern  erleben, wirkt kontraproduktiv: Die Wirtschaft schrumpft, Menschen verlieren ihren Arbeitsplatz, Lohnsteigerungen für Arbeitnehmer rücken in weite Ferne. Die Spirale dreht sich immer weiter nach unten. Sparen alleine, verschlimmert die Lage von Ländern - das erleben wir bereits seit geraumer Zeit in Griechenland.

Investitionen der reichen Nordeuropäer dagegen würden die schlappen Mittelmeerökonomien wieder ans Laufen bringen. 
Es ist egal, ob man dies gleich einen Marshallplan nennt – Hauptsache man kurbelt die Realwirtschaft im Süden Europas an. Wenn die Europäer dies schaffen sollten und gleichzeitig langfristig verbindlich sparen, dann könnten am Ende des Tages ausgeglichenere Haushalte entstehen. Ohne zuvor die Wirtschaft in vielen Regionen stranguliert und die Lebensbedingungen vieler Menschen unnötigerweise verschlechtert zu haben.