Buchkritik Die Allianz

Köln, 08.02.2010

Die Schweizer Großbank UBS hat einen Sturm entfacht, der das Bankgeheimnis am siebtgrößten Finanzplatz der Welt wegfegen könnte. Die Mitarbeiter sollen US-Bürgern beim Hinterziehen von Steuern geholfen haben. Die UBS zeigt diese nun an. Das ist eine Kapitulation vor dem Druck aus den USA. Zuvor waren die Proteste gegen das Bankgeheimnis jahrzehntelang an der Schweizer Regierung abgeperlt. Die Basis für das Bankgeheimnis war schmaler geworden, verschwunden war sie aber nicht. Süddeutsche Zeitung

Die beiden Schweizer Wirtschaftsjournalisten Viktor Parma und Werner Vontobel schildern diese Entwicklung in ihrem Buch „Schurkenstaat Schweiz?”. Es ist eine wortreiche und detaillierte Philippika gegen das Bankgeheimnis und niedrige Steuern für ausländische Reiche und Konzerne. Hier ist zu lesen, wie die Schweiz andere Länder durch Steuerdumping und Anleitung zur Steuerhinterziehung destabilisierte.

Deutschland hat darunter besonders gelitten, schon während der Zeit der Weimarer Republik. Reiche schafften damals Milliardensummen auf Bankkonten im Nachbarstaat. Bern verweigerte Berlin dazu Verhandlungen. Als die erste deutsche Demokratie vor dem Abgrund stand, willigte die Schweiz endlich ein. Doch das Steuerabkommen war wertlos. Es bot dem deutschen Fiskus kaum Handhabe gegen seine Steuerflüchtlinge. In Weimar riss die Kapitalflucht ein Loch in den Staatshaushalt. Es fehlten Steuereinnahmen, „die sie zur Abwehr der braunen Flut dringend benötigt hätten”, schreiben die Autoren. Als einige Nachbarländer sich wehrten, verschärfte die Schweiz das Bankgeheimnis sogar. Wer Daten von Kunden weitergab, machte sich nun strafbar.

Die Schweiz war mit ihren Regeln gut gerüstet für den Wettbewerb der Finanzplätze in der globalisierten Welt. Bis heute leiden Länder, die vom Abfluss der Gelder betroffen sind. Sie stecken in einem Dilemma. Je mehr Menschen oder Konzerne sich der Besteuerung entziehen, desto höher werden die Steuersätze für den Rest der Bevölkerung – und der Anreiz zur Steuervermeidung. So können Länder immer weniger ihre Aufgaben erfüllen. Die Autoren schildern, wie reiche Nomaden profitieren und die Daheimgebliebenen leiden.

Parma und Vontobel kennen sich bestens aus, seit Jahren arbeiten sie für renommierte Zeitungen und Magazine im Heimatland – nun schreiben sie schonungslos über die idyllische Alpenrepublik. Zwischen den Zeilen schimmert eine ungeheure Wut über die Geschehnisse durch, insbesondere über die unredlichen Schweizer Debatten um das Bankgeheimnis. Kenntnisreich spannen sie den Bogen bis zur aktuellen Krise. Wer wissen will, wie aus konservativen Banken die UBS entstand, die Milliarden in der Krise verzockte – hier liest er es.

Man ahnt es: Nicht die Masse der Schweizer profitiert von den Sonderregeln, sondern die Konzerne. 13 000 Holdings sitzen in der Schweiz, davon 6000 in der Steueroase Zug. Seit die Regierung Steuern für Holdings senkte, haben sich Hunderte weiterer ausländischer Konzerne mit regionalen Hauptsitzen in der Schweiz niedergelassen.

Die Journalisten rechnen mit einem Staat ab, der aus der Gier seinen Profit zieht und nur Eliten Privilegien einräumt. Sie beschreiben, wie sehr Wirtschaft und Bürger leiden. Eine Steueroase sind die Kantone schließlich nur für Millionäre aus dem Ausland, die behaupten, in der Schweiz nicht zu arbeiten. Am Ende ist man gewillt, den Autoren beizupflichten, dass die Schweiz durch die Vorteile, die der Wettbewerb um Steuern und Standort bringt, „intellektuell korrumpiert” wird. Caspar Dohmen

Viktor Parma, Werner Vontobel: Schurkenstaat Schweiz?

Steuerflucht: Wie sich der größte Bankenstaat der Welt korrumpiert und andere Länder destabilisiert, C. Bertelsmann, München 2009, 223 Seiten, 19,95 Euro.

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